Kleinkind spielt an Schublade - Kindersicherheit

Spielzeugwaffen im Karneval – „Was wir verbieten, wird heimlich gemacht.“

Interview mit Julia Spätling, Deutsche Familienstiftung Fulda

Junge verkleidet sich als Cowboy und spielt "Schießen"

Darf ich meinem Kind eine Spielzeugwaffe geben? Darf es im Karneval mit der Cowboypistole herumlaufen und knallen? Darf der Ritter sein Schwert mit in den Kindergarten nehmen? Alle Jahre wieder kommt die Diskussion auf, ob man Spielzeugwaffen im Karneval verbieten soll oder nicht. Und diese Diskussion wird teilweise leidenschaftlich geführt. Wir haben die Diplom-Heilpädagogin Julia Spätling nach ihrer Meinung gefragt.

Frau Spätling, die AXA Kindersicherheitsinitiative hat im letzten Jahr auf Facebook gefragt, ob Eltern der Meinung sind, dass Waffen zum Karneval dazu gehören oder verboten werden sollten. Damit haben wir in ein Wespennest gestochen und eine heiße Diskussion entfacht. Wie stehen Sie dazu?

Ich sehe das Thema allgemeiner. Die Frage nach Waffen im Kinderzimmer stellt sich ja nicht nur im Karneval. Es ist eine grundsätzliche Erziehungsfrage. Wie bei vielen anderen Erziehungsfragen auch, geht es darum, dem Kind den richtigen Umgang mit Pistole und Schwert zu erklären. Und dabei geht es  nicht nur um Waffen,  sondern um den Umgang mit Wut und Aggression und um das Sozialverhalten  allgemein. Wenn Eltern das Spielen mit Waffen verbieten, müssen sie sich über zwei Dinge klar sein: Erstens werden die Kinder es dann vielleicht heimlich machen und sich damit komplett der Kontrolle durch die Erwachsenen entziehen. Die Kinder werden sich notfalls andere Gegenstände als Spielwaffen nehmen. Dann wird auch schon mal eine Banane zur Pistole.

Und zweitens?

Zweitens: Machen Sie einmal den Versuch und geben Sie zwei Jungen im Kleinkindalter jeweils einen harmlosen Stock in die Hand. Es wird nicht lange dauern, bis sie damit "kämpfen“. Auch Mädchen finden Schwerter interessant. Dieses Verhalten steckt offenbar in den Genen. Je größer der Stock, desto besser. Die Kinder erleben in diesem Moment ein Gefühl von Stärke und Macht. Das macht sie nicht böse oder schlecht. Aggression ist Teil jeder menschlichen Entwicklung. Hormone steuern in bestimmten Phasen die mal mehr oder weniger hohe Aggressionsbereitschaft. Im Alter von ein bis zwei Jahren ist sie am höchsten. Wie man damit umgeht und wie man sich in der Gruppe sozial verhält, müssen Kinder erst lernen. Das zu vermitteln ist Aufgabe der Erziehung. Verbote nützen da nichts.

Was raten Sie den Eltern?

Eltern und Erzieher sollten die Kinder beim Spiel und im Umgang mit den Waffen beobachten und bei Bedarf erklärend eingreifen. Kinder müssen lernen, wie sie die Waffe einsetzen dürfen und wie nicht. Kinder lernen schon, wenn sie anfangen zu laufen, dass bestimmte Dinge wehtun. Wenn ich falle, tut es weh. Wenn ich geschlagen werde, tut es weh. Ebenso tut es dem anderen Kind weh, wenn ich es schlage. Das darf man daher nicht.
Die Wirkung einer echten Pistole muss den Kindern erklärt werden. Schon Drei- bis Vierjährige sind in der Lage zu verstehen, dass jemand schwer verletzt oder gar getötet wird, wenn man auf ihn schießt. In diesem Alter ist der Tod ohnehin ein großes Thema. Viele Kinder fragen dann nach Gott, dem Himmel, Sterben und Tod, unabhängig davon, ob sie mit Waffen spielen oder nicht.

Trotzdem haben Waffen doch auch immer etwas mit Gewalt zu tun?

Gewalt ist ein gesellschaftliches Phänomen, das man auch aus dem Leben von Kindern nicht komplett ausklammern kann. Sie sehen Krieg und Gewalt in den Nachrichten und erleben die Aggressivität anderer Kinder im Kindergarten oder auf dem Spielplatz. Beim Umgang mit Spielzeugwaffen gilt: Kennenlernen, zusammen anschauen, aufklären und zu einem bewussten Umgang anleiten. Zeigen Sie dem Kind Alternativen auf:  Mit einem Schwert kann ich zum Beispiel andere zum Ritter schlagen; ich kann andere beschützen und mich und andere verteidigen. Gerade an Karneval schlüpfen die Kinder mit ihrem Kostüm in eine andere Rolle, in eine andere Welt. Das Schwert und die Pistole sind Teil dieser Rolle, müssen aber bewusst eingesetzt werden.

Julia Spätling, Heilpädagogin, Leiterin Deutsche Familienstiftung Fulda | AXA

Julia Spätling ist Diplom-Heilpädagogin und Leiterin der Familienschule der Deutschen Familienstiftung Fulda.

Familienschule Fulda
„Starke Kinder brauchen glückliche und zufriedene Eltern für ein unbeschwertes Aufwachsen“, dafür steht die Familienschule Fulda, eine Einrichtung der Deutschen Familienstiftung.

Die Familienschule Fulda ist ein Ort, wo Eltern Antworten auf ihre Fragen bekommen, Kontakte knüpfen und hilfreiche Kurse von Geburtsvorbereitung über Eltern-Kind-Gruppen bis hin zu Selbsthilfe-Gruppen finden können.

Neben den genau auf die Bedürfnisse von werdenden und jungen Eltern abgestimmten Kursangeboten erhalten die Eltern familien- und partnerschaftsstärkende Hilfen zu Themen wie Sicherheit und Klarheit im eigenen Vorgehen, Alltagsgestaltung, Selbstpflege, Stress- und Zeitmanagement sowie verlässliche Unterstützung und Beratung bei unterschiedlichsten Problemen.