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Mutter mit 2 Kindern am Backofen

Verbrennungen und Verbrühungen: „Schon eine Tasse heißes Wasser ist gefährlich!“

Mit Checkliste zum Schutz vor Verbrennungen

Verbrennungen und Verbrühungen sind eine der häufigsten Unfallursachen in Deutschland mit jährlich 100.000 Fällen, die zu etwa 16.000 stationären Aufnahmen führen. Etwa 10% dieser Patienten bedürfen der Behandlung in einem Schwerverbranntenzentrum (Quelle: Verbrennungsmedizin). Allein 30.000 Kinder unter 15 Jahren verletzen sich dabei so schwer, dass sie zum Arzt müssen. Rund 6.000 davon werden  im Krankenhaus und 1.400 Kinder schwerverletzt in Verbrennungszentren versorgt. Verursacher sind meistens mit heißer Flüssigkeit gefüllte Tassen oder Wasserkocher. Aber auch, Bügeleisen, Herdplatten oder mit zu heißem Wasser gefüllte Badewannen sind große Gefahrenquellen.

Schon Temperaturen ab 52 Grad Celsius können die Haut ernsthaft schädigen

„Vielen ist gar nicht klar, dass Flüssiges nicht kochen muss, um schwere Verletzungen zu verursachen“, sagt die Kinderchirurgin an der Berliner Charité Dr. Stefanie Märzheuser. Sie ist Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder (BAG), dem bekannten Fachnetzwerk zur Verhütung von Kinderunfällen. Als Mutter von drei Kindern engagiert Sie sich seit Jahren für die Aufklärung von Risiken und Gefahren, die zu solchen Unglücken führen „Es genügen schon Temperaturen ab 52 Grad Celsius, um die Haut ernsthaft zu schädigen!“ Verbrennungen und Verbrühungen sind sehr schmerzhaft, hinterlassen ein Leben lang sichtbare Narben und zudem oft spürbare Traumata. Wie man solche schlimmen Unfälle – auch bei Erwachsenen – verhindern kann, erklärt Dr. Stefanie Märzheuser in unserem Interview.

Frau Dr. Märzheuser, was sind denn die typischen Unfälle von Kindern, denen Sie in Ihrer Arbeit begegnen?

Dr. Stefanie Märzheuser: Da möchte ich zu allererst zwischen Altersgruppen unterscheiden. Kindern zwischen null und einem Jahr passieren überwiegend häusliche Unfälle, die im Grunde einfach zu vermeiden wären. Das sind zum einen Stürze wie vom Wickeltisch und von der Treppe. Zum anderen ersticken diese kleinen Kinder leicht, zum Beispiel an Kleinteilen oder unter einer Decke.

Größere Kinder zwischen etwa Eins und Fünf werden zunehmend mobil und selbstständig. Sie wollen Erfahrungen sammeln. Weil die Kleinen dieser Altersklasse allgemein noch nicht so sicher auf den Beinen sind, geschehen hier weiterhin oft Stürze und entsprechende Verletzungen wie Brüche. Eine Gefahr in diesem Alter sind auch Vergiftungen: In ihrem Forscherdrang öffnen die Kinder zum Beispiel Flaschen und Schachteln und probieren die Dinge, die da drin sind, einfach aus. Ab dem Krabbelalter sind sie zudem auch durch Verbrennungen und vor allem durch Verbrühungen gefährdet. Hier sind Gefahrenquellen wie der Wasserkocher, das Bügeleisen oder Teetassen und Suppenteller zu nennen.

Zwischen fünf und zehn Jahren treten dann vermehrt Freizeit- und Sportunfälle auf. Ein Klassiker ist das Fußballspielen, bei dem vergleichsweise viel passiert, oder zum Beispiel das gerade sehr trendige Longboardfahren. Älteren Kindern und Jugendlichen wird dann immer wieder der Schulweg gefährlich.

Welchen typischen Verletzungen durch Hitze begegnen Sie in Ihrem Alltag als Kinderchirurgin?

Dr. Märzheuser: Meist sind es Verbrühungen durch heiße Flüssigkeiten. Schon eine Tasse heißes Wasser kann für ein kleines Kind gefährlich sein. Selbst Erwachsene verbrennen sich zum Beispiel mit auf der Hand verschüttetem Tee. Aber was man nicht vergessen darf: Kinder haben eine wesentlich empfindlichere und verletzlichere Haut. Wie stark eine Verbrennung ist, kommt darauf an, wie heiß die jeweilige Flüssigkeit oder der Gegenstand war und wie lange sie auf der Haut waren. Ganz schlimm ist zum Beispiel frisch gekochter Pudding, weil er auf der Haut kleben bleibt und durch seine Konsistenz viel länger Hitze abgibt als zum Beispiel schnell wieder abfließendes Wasser. Auch Fette sind sehr gefährlich, weil sie einen höheren Siedepunkt haben und viel heißer werden.

Seltener sind Verletzungen durch Flammen. Zum Glück, denn diese Verbrennungen sind wesentlich fürchterlicher und zerstörerischer, weil sie meist länger einwirken. Dazu zählen natürlich Verbrennungen beim Grillen, das ist ein großes Problem, oder um die Weihnachtszeit mit Kerzen und ähnlichem. Inzwischen sehr selten sind Stromverletzungen, weil wir Gott sei Dank sehr gute Bauordnungen haben und in den meisten Häusern FI-Schalter (Fehlerstromschalter) eingebaut sind, die viele Unfälle mit Elektrizität verhindern.

Ab wann ist eine Verbrennung oder Verbrühung für ein Kind lebensgefährlich?

Dr. Märzheuser: Das kann man nicht pauschal sagen, das kommt auf die Tiefe und das Ausmaß an. Grundsätzlich gilt, wenn mehr als fünf Prozent der Haut verbrüht oder verbrannt sind, das Gesicht, die Extremitäten, die Genitalien oder die Gelenke, muss man in ein auf Verbrennungen spezialisiertes Krankenhaus. Eine sorgfältige Diagnose dauert seine Zeit und braucht erfahrene Experten, denn selbst Mediziner tun sich teilweise schwer, zu erkennen, wie schlimm eine solche Verletzung tatsächlich ist und welche Behandlung geboten ist.

Welche Folgen hat eine Verbrennung oder Verbrühung für das Kind?

Dr. Märzheuser: Es tut in erster Linie sehr, sehr weh! Deshalb sollte man nicht zögern, bei Verbrennungen oder Verbrühungen ein Schmerzmittel zu geben. Dann bleiben natürlich Narben, die je nach Schwere der Verbrennung kosmetisch störend oder entstellend und schwer zu behandeln sind. Teilweise muss man sie auch langfristig therapieren oder operieren, Narben können schrumpfen oder verkürzend wirken. Ziel ist, dass die Funktion der Körperteile und die Lebensqualität möglichst erhalten bleiben.

Wie handelt man im Ernstfall? Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen können und sollen ergriffen werden?

Dr. Märzheuser: Sanftes Kühlen mit lauwarmem, nicht kälter als 15 Grad temperiertem Wasser! Das Ganze für etwa 10 bis 15 Minuten. Auf keinen Fall sollte man Eis verwenden. Das Wichtige ist, die Temperatur an der verletzten Stelle zu senken und den Schmerz zu lindern. Bedenken Sie, die normale Körpertemperatur ist 37 Grad Celsius und nicht eiskalt und unsere Blutgefäße helfen beim Abtransport der Hitze. Wenn wir jedoch zu kaltes Wasser auf die Stelle führen, ziehen die Blutgefäße sich zusammen, was hinterher umso mehr Schmerzen bedeutet. Denn nimmt man die Kälte weg, dehnen sich die Gefäße wieder aus. Zu kaltes Kühlen wirkt eher schädlich.

Sehr wichtig bei Kindern und umso wichtiger, je kleiner sie sind: Achten Sie unbedingt darauf, dass sie nicht auskühlen! Deshalb die Faustregel: Kühlen für nur etwa eine viertel Stunde. Gewährleisten Sie dabei immer, dass der übrige Körper warm bleibt. Ansonsten: Brennende Kleider durch Wälzen am Boden löschen, betroffene Kleidung ausziehen, eingebrannten Stoff oder Schmuck aber nicht ablösen. Gehen Sie zum Kinderarzt oder in die Klinik. Wenn Sie das Gefühl haben, es ist sehr schlimm, oder Sie fühlen sich überfordert, rufen Sie den Notarzt. Bewahren Sie Ruhe und bleiben Sie bei Ihrem Kind, bis es ärztlich versorgt wird, denn es steht sicherlich unter Schock.

Zurück in den Alltag – mit dem professionellen Reha-Management

Nach einem Unfall durch Verbrennungen oder Verbrühungen ist der Weg zurück in ein alltägliches Leben ein wichtiger Schritt. Gemeinsam mit einem erfahrenen, unabhängigen Reha-Partner kümmert sich AXA darum, den schweren Alltag für Kinder und Eltern durch ein umfassendes Reha-Management zu erleichtern, wie z.B. mit einer gezielten Förderung der medizinischen, beruflichen, schulischen und sozialen Rehabilitation, einer Hilfestellung bei Antrags- und Amtsvorgängen oder auch besonderen Reha-Maßnahmen (psychologische Betreuung nach einem Unfall).

Gibt es ein Hausmittel, das Sie empfehlen würden?

Dr. Märzheuser: Nur kühles Wasser! Unter Umständen können Sie die Stellen mit sterilem Verbandsmaterial (Kompressen) abdecken. Bitte sonst nichts anderes auf die Wunden geben!

Wie kann man sein Kind wirkungsvoll vor Verbrennungen und Verbrühungen schützen?

Dr. Märzheuser: Mit Ruhe und Verstand vorausschauen. Die Entwicklungsschritte des Kindes beobachten, voraussehen und Gefahrenquellen absichern. Gehen Sie einfach mit Kinderaugen durch Ihren Lebensraum und gucken Sie, was Sie als Kind neugierig machen würde. Gehen Sie ruhig mal auf die Knie und begeben Sie sich auf Augenhöhe Ihres Nachwuchses. Fragen Sie sich, welche Gefahren möglich sind. Was ist geheimnisvoll? Was möchten Sie anfassen, öffnen, ausschütten, herunterholen? Ist es gefährlich, weg damit!

Welche Vorsichtsmaßnahmen sollten im eigenen Haushalt getroffen werden?

Dr. Märzheuser: Das Wichtigste ist ein FI-Schutzschalter im Haus. Mit seiner Hilfe werden schon einmal die Unfallquellen mit Strom - wie Steckdosen - ausgeschaltet. Dann: Kochen Sie auf den hinteren Platten, lassen Sie keine Kabel von oben nach unten baumeln, z.B. beim Wasserkocher, Bügeleisen oder Toaster, achten Sie darauf, dass Sie heiße Flüssigkeiten wie Tee- und Kaffeetassen nie unbeobachtet oder in Reichweite kleiner Kinder abstellen, benutzen Sie keine Tischdecken, denn die verleiten zum Herunterziehen. Gefährliche Gegenstände wie Kerzen oder Bügeleisen sollten Sie natürlich auch immer im Auge haben. Ich meine wirklich: immer. Sobald das Kind alt genug ist, fangen Sie an, die Gefährlichkeit von heißen Gegenständen und Feuer zu erklären und mit Kindern den Umgang zu üben. Geduldig und immer wieder.

Frau Märzheuser, wir danken Ihnen für das informative Gespräch und die vielen guten Tipps.

Checkliste "Verbrühungen und Verbrennungen"

Wie Sie Ihre Kinder richtig vor Verbrennungen schützen!

In unserer Checkliste „Verbrühungen und Verbrennungen“ finden Sie hilfreiche Tipps wie Sie diese Unfälle vermeiden können und was Sie im Notfall tun sollen.

  • In der Küche, z.B. auf den hinteren Herdplatten kochen und Griffe nach hinten sowie Herdgitter anbringen
  • In Bad und Haushalt: Kein heißes Wasser stehen lassen
  • Rauchmelder retten Leben
  • Keine Brandbeschleuniger benutzen
  • Feuerzeuge und Streichhölzer wegsperren
  • Nie eiskaltes Wasser oder Eiswürfel zum Kühlen verwenden
  • Großflächige Verbrennungen nicht kühlen
  • 112 rufen bei größeren Brandwunden

Rechtliche Hinweise

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