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Wolfgang Beushausen berichtet über sein Leben mit der Alkoholkrankheit

Alkoholkrankheit

„Ergreifen Sie die Hand, die man Ihnen reicht!“

Wolfgang Beushausen ist ein realistischer Mensch. Er ist stolz, dass er seine Alkoholkrankheit seit gut sechs Jahren im Griff hat. Aber er weiß auch, dass dieser tückische Feind jederzeit zurückschlagen kann. „Es gibt keine Garantie für mich, dass ich auf Dauer ein trockener Alkoholiker bleibe. Ich muss gut auf mich aufpassen, mich genau beobachten. Und jederzeit darauf vorbereitet sein, dass die Versuchung zurückkehrt.“

Der ehemalige Verwaltungsangestellte lebt an der Nordseeküste in St-Peter-Ording. Er ist jetzt 68 Jahre alt und hat viele Jahre seines Lebens gegen die Alkoholerkrankung gekämpft: Entzug, Absturz, Therapie, erneuter Rückfall. Ein ständiges Auf und Ab. Doch seit 2015 ist er trocken. Wie ihn die Patientenbegleitung von AXA bei diesem Durchbruch unterstützt hat, beschreibt Beushausen in einem beeindruckenden Interview, das das Team von Axa im Jahr 2018 mit ihm geführt hat.  

Doch wie geht es ihm heute, drei Jahre später? Wie lebt er mit seinem persönlichen Dauer-Risiko Sucht? Was tut er, um sich vor einem erneuten Rückfall zu schützen?

Offenheit und Abstinenz

Zu seinem neuen Leben gehört es auch, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. „Ich will mich nicht wichtigmachen, mich aber auch nicht verstecken, sondern möchte anderen Menschen helfen und damit auch mir selbst“, erklärt Wolfgang Beushausen. Er spricht in Schulen und in seinem Kirchenkreis über Alkoholismus und Suchtprävention. Außerdem ist Beushausen Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe „Freundeskreis Sucht“. „Diese Termine sind zwar manchmal ganz schön anstrengend, geben mir aber auch sehr viel.“ Die Fragen der anderen erinnern ihn daran, wie es ihm früher selbst erging. Vor noch gar nicht so langer Zeit. „Das macht mir immer wieder klar, dass meine derzeitige, positive Lebenssituation nicht selbstverständlich ist.“

Voraussetzung dafür: absolute Abstinenz. Wolfgang Beushausen trinkt keinen Tropfen Alkohol mehr. Sehr bewegt und endgültig überzeugt hat ihn der Satz seines Therapeuten: „Abstinenz ist eine Erhöhung der Lebensqualität.“ Aber wie, wenn Alkohol doch so belebend und anregend sein kann? Beushausen lächelt. „Das mag für einen Nicht-Suchtkranken so sein, aber nicht für mich.“ Für ihn bedeutet Abstinenz Freiheit und Belohnung zugleich: „Ich genieße es, zu jeder Tages- und Nachtzeit fit zu sein. Ich kann jederzeit alles tun, was ich möchte. Das mag für viele eine Selbstverständlichkeit sein – war es aber viele Jahre lang für mich nicht!“ 

Lernprozess und endgültige Überzeugung

Diese Abstinenz bedeutete für Wolfgang Beushausen mehr als nur den einmal gefassten Entschluss, keinen Alkohol mehr anzurühren. Sie war für ihn ein Lernprozess, so wie für viele andere Suchtkranke auch. Der erste Schritt auf diesem Weg hieß für ihn „Ich darf keinen Alkohol mehr trinken“. Die nächste Stufe seines Verzichts lautete „Ich will keinen Alkohol mehr trinken“. Der letzte, entscheidende Schritt war für ihn dann „Ich brauche keinen Alkohol mehr!“ Beushausen: „Ab diesem Moment hatte ich endlich verstanden, dass ich auch ohne dieses Suchtmittel funktioniere und dass das Leben für mich sogar leichter wird.“

Heute zieht er jeden Abend vor dem Zubettgehen eine Bilanz seines Tages: Was war gut, was weniger gut. „Ich tue das nicht, um über Vergangenes nachzugrübeln. Sondern ich stelle das einfach nur für mich fest. Und unterm Strich kommt fast immer etwas Positives heraus.“

Unterstützung und Zuwendung

In all diesen Jahren riss der Kontakt zum Team vom AXA gesundheitsservice360° nie ab. Beushausen telefonierte regelmäßig mit seiner persönlichen Ansprechpartnerin und deren Nachfolgerin. Er suchte auf seinem langen, schweren Weg nach Unterstützung, nach menschlicher Zuwendung. Und er bekam sie. „Ich habe immer gespürt, dass es AXA darum geht, mir zu helfen.“

Vor zwei Jahren lud ihn AXA für zwei Tage nach Köln ein. Er sollte das gesamte Team kennen lernen, mit allen über die gemeinsamen Erfahrungen sprechen. Wolfgang Beushausen war bewegt, seine Stimme brüchig. Aber er wollte unbedingt etwas loswerden: seinen Dank, seine Anerkennung. „Ich habe mich sehr emotional dafür bedankt, dass mich meine Ansprechpartnerin so geduldig davon überzeugt hat, eine Sucht-Therapie zu machen – ohne mich jemals zu bedrängen.“  

Aber wie kann er sich weiterhin vor dem Risiko Rückfall schützen? Zum einen durch schonungslose Ehrlichkeit: Wolfgang Beushausen gesteht sich – aber auch der Öffentlichkeit – ein, dass diese Wahrscheinlichkeit für ihn leider niemals bei null liegen wird. Zum anderen durch eine ganz persönliche Notfall-Strategie. „Wenn mich auch nur der kleinste Gedanke an Alkohol überkommt, tue ich sofort irgendetwas anderes. Am besten eine leichte körperliche Arbeit wie Rasenmähen oder Geschirrspülen. Dann rutscht diese böse Idee auch wieder weg.“

Mindestens ebenso wichtig: Beushausen behält solche Gedanken nicht für sich, sondern spricht offen darüber – bei der nächsten Gruppensitzung oder in einem Telefonat mit dem Gesundheitsteam von AXA. Er hat gelernt, auf sich zu achten, sich nicht wie früher zu überfordern. „Wenn ich merke, mir wird etwas zu viel, dann schränke ich mich ein. Das gilt für meine freiwilligen Tätigkeiten, aber auch für meine Hobbies.“

Verständnis wecken, Hilfe annehmen

Beushausen sieht seine Aufgabe darin, in der Öffentlichkeit ein größeres Verständnis für die Situation Alkoholkranker zu wecken: die Einsicht, dass es viele der bisher Nicht-Süchtigen auch treffen kann. Ihn haben die Worte seines Therapeuten tief beeindruckt: „Alkohol-Abhängigkeit ist wie ein Unfall – niemand will sie. Aber wenn sie da ist, ist sie da.“

Er hat daraus einen wichtigen Schluss gezogen: „Man sollte gnädig mit sich selbst umgehen, sich mit sich selbst versöhnen. Gleichzeitig sollte man aber auch alles dafür tun, dass die Sucht nicht die Oberhand gewinnt. Für mich heißt das ganz klar: Absolute Abstinenz!“

Und was würde er anderen raten? Die Betroffenen sollten jede nur erdenkliche Unterstützung annehmen, die ihnen Selbsthilfegruppen, Therapeuten oder Krankenversicherungen bieten: „Verkriechen Sie sich nicht in Ihrem Alkoholismus, schließen Sie sich nicht von Ihrer Umwelt aus. Sondern ergreifen Sie die Hand, die man Ihnen reicht!“

3 Fakten zu Alkoholerkrankungen

1,6 Mio.

der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland leiden unter einer Alkoholkrankheit. 
Quelle: Epidemiological Survey of Substance Abuse 2018

200

Erkrankungen werden durch den Konsum von Alkohol mitverursacht. 
Quelle: Aktionswoche Alkohol 2022, Gesundheit (aktionswoche-alkohol.de)

122

Kunden mit einer Alkoholkrankheit wurden im Jahr 2020 vom Gesundheitsservice von AXA betreut.