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Videosprechstunde mit Ärztin per Tablet

Telemedizin als Chance

E-Health ist Fortschritt. Wie viel Digitalisierung tut uns gut?

Telemedizin ist die beste Unterstützung, die sich Ärzte für ihre Patienten wünschen können. Die digitalen Gesundheitsleistungen sind auf einem guten Weg, das macht sie jedoch nicht zum Allheilmittel. Der Arzt bleibt gefragt.

Vor- und Nachteile der Telemedizin

Online-Gesundheitsprogramme bewähren sich, wenn die Änderung des Lebensstils gefragt ist. Online-Therapien bieten eine erste Hilfe aus der Verzweiflung einer Depression. E-Health ist für viele kein Fremdwort mehr, elektronische Gesundheitsdienstleistungen sind auf dem Weg zum Patienten. Ein Boom beherrscht die mobilen digitalen Dienstleistungen.

Seit einiger Zeit gehört die Video-Sprechstunde zur Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Rund 45 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, ihren Arzt zumindest gelegentlich per Video zu konsultieren. Vor allem auf dem Land profitieren Patienten und pflegende Angehörige von der Technik, die Wege spart; die häufig überlasteten Ärzte können Hausbesuche an Versorgungsassistenten delegieren und sich beratend zuschalten. Zunächst ist die Videosprechstunde auf eine Auswahl von Leistungen zur Kontrolle und Nachsorge beschränkt.

Pro Videosprechstunde

  • Zugang zu weit entfernten Ärzten wird leichter
  • Wartezeit in der Praxis entfällt
  • Ansteckung im Wartezimmer vermeiden

Contra Videosprechstunde

  • Risiko der Fehlbehandlung steigt
  • Vertrauensverhältnis zum Arzt leidet
  • Patientendaten können geraubt werden

Telemedizin in der Diskussion

Fortschritt oder Risiko? Hilft die Technik bei einer besseren Versorgung oder überfordert sie den Menschen? In Norwegen und Schweden wird Telemedizin bereits seit Jahren mit großem Zuspruch praktiziert, in der Schweiz und Großbritannien gehört der digitale Arzt zum Alltag. In Deutschland sind Ärzte und Patienten zögerlich. Der Standpunkt der Ärzteschaft ist eindeutig: Tele-Methoden sollen den Arztbesuch nicht ersetzen, sondern ergänzen. Auch bei der Videosprechstunde gilt: Arzt und Patient müssen vor einer digitalen Konsultation zumindest einmal „Kontakt live“ gehabt haben.

Offiziell heißt es zur Telemedizin: „Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt.“

Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt das Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin an der Charité Berlin: Ein Patient misst beim morgendlichen Frühstück zu Hause den Blutdruck. Das Messgerät überträgt die Blutdruckwerte automatisch und drahtlos an das telemedizinische Zentrum, das mit Fachärzten und Fachpflegern besetzt ist. Bei auffälligen Messwerten stellen die Ärzte Diagnosen und leiten die notwendige Maßnahmen ein, im Akutfall kommt ohne Zeitverlust der Notarzt.

E-Health auf dem Weg

Electronic Health, kurz E-Health, schafft die Voraussetzungen für die Entwicklung der Telemedizin. Die digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien haben seit 1. Januar 2016 offiziell Rückenwind durch das E-Health-Gesetz bekommen. Laut Bundesregierung bietet es „bestmöglichen Schutz der hochsensiblen Patientendaten“ und es verbessert die Rahmenbedingungen für einen flächendeckenden Einsatz der Technik durch Anreize und einen Zeitplan.
                     
Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen gibt sich noch nicht zufrieden. mHealth ist auf dem Vormarsch, der Boom von Electronic Health mit mobilen Geräten. Die Auswertung von Körperfunktionen wie Puls, Schlaf, Blutzucker, Blutdruck oder Schrittzahl ist ein gewaltiger Markt. Computer am Körper, sogenannte „Wearables“ oder „Smart Clothes“ sammeln Daten, Fitnessarmbänder, Laufuhren und natürlich Mobiltelefone mit einer Unzahl von Apps. Was die Verbraucherschützer beunruhigt: „Bei der Entwicklung von mHealth fließen selten wissenschaftliche Erkenntnisse ein, im Vordergrund stehen kommerzielle Anreize...Hierbei bestehen aber Risiken, da die Messwerte nicht nur zuverlässig erhoben, sondern hinsichtlich der Reichweite ihrer Aussagen auch verstanden werden müssen.“

Im Klartext: Es besteht „die Gefahr von unnötiger Angst und, als Folge, einer Belastung des ersten Gesundheitssystems durch Überdiagnose und Überbehandlung“. Es gibt zahlreiche Gesundheits-Apps in den Stores, die bemängelt werden. Die Marktentwicklung ist weniger ausgerichtet am tatsächlichen Bedarf in Prävention und Gesundheit. Was macht wirklich Sinn? Viele Menschen sind derzeit noch ratlos.

Online-Coaching hilft - auch dem Arzt

Der „digital.DiabetesCoach“ ist zum Beispiel ausgesprochen erfolgreich. Schon nach kurzer Zeit erleben Diabetiker eine spürbare Verbesserung ihres Gesundheitszustands und ihrer Lebensqualität, viele brauchen signifikant weniger oder sogar gar kein Insulin mehr, sie nehmen ab und verbessern ihre Blutwerte. Das telemedizinische Pilotprojekt von AXA und dem Deutschen Institut für Telemedizin ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was Online-Gesundheitsprogramme leisten können.

Die Diabetes-Experten des DITG kümmern sich in einem sehr persönlichen und vertraulichen Telefon-Coaching um die Teilnehmer und begleiten sie kontinuierlich. Die Teilnehmer erhalten digitale Messgeräte, so dass die Coaches mit ihren Empfehlungen gezielt auf die individuellen Werte eingehen können und in Echtzeit die nächsten Schritte einer Lebensstilumstellung besprechen. Es handelt sich also um eine persönliche Beratung rund um Bewegung und Ernährung, bei Bedarf begleiten die Coaches die Patienten auch motivierend bei einer Formula-Diät zur Gewichtsreduktion. In dieser Form können Online-Gesundheitsprogramme dabei helfen, die Lücken zwischen Arztbesuch und Alltag zu schließen und einen gesunden Lebensstil dauerhaft einzuhalten.

Online-Arzt: Jederzeit erreichbar über die Videosprechstunde

Medizinischer Rat, wenn Sie ihn brauchen –  rund um die Uhr von überall aus: Die Ärztinnen und Ärzte des Kooperationspartners von AXA "MD Medicus" können bei vielen Themen, die telemedizinisch behandelbar sind, beraten. Dabei sind die Kosten für krankenvoll- und beihilfeversicherte Kunden von AXA und DBV voll erstattungsfähig. Zusatzversicherte Kunden können den Online-Arzt als Selbstzahler nutzen.

Weitere Kooperationen des Gesundheitsservice von AXA

Mit dem Gesundheitsservice bietet AXA krankenvollversicherten Kunden ein umfangreiches und kostenfreies Angebot an telemedizinischen Versorgungsformen.

Kooperationen bestehen unter anderem mit folgenden telemedizinischen Angeboten:

  • Deutsches Institut für Telemedizin (DITG): Digitales Diabetes Management für Typ 1 und Typ 2
  • Preventicus: Förderung der Früherkennung von Herzkreislauferkrankungen per APP
  • Patientus: Arztkonsultationen via Online-Video-Sprechstunde
  • Patientus: Arztkonsultationen via Online-Video-Sprechstunde
  • Novego: Online-basiertes Unterstützungsprogramm zur Symptomlinderung von Depression, Burn-Out und verschiedenen Angststörungen
  • Caterna Sehschule: Zusätzliches Sehtraining bei einer Amblyopie durch kindgerechte Online-Spiele
  • gevio: digitales Rückenprogramm für den Alltag und zur Linderung von Rückenschmerzen
    Somit wird Ihnen ein vielfältiges Angebot an telemedizinischen Maßnahmen im Bereich Prävention, Diagnostik oder auch Therapie ermöglicht.

Interview zur Telemedizin mit Professor Dr. Stephan Martin, Direktor und Chefarzt des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums

Professor Dr. Stephan Martin praktiziert als einer der führenden Diabetologen in Deutschland und international renommierter Arzt und Forscher Telemedizin bereits seit Jahren zur erfolgreichen Lebensstiländerung.

Guten Tag, Professor Dr. Martin. Wenn jemand in Deutschland Erfahrung mit Telemedizin gesammelt hat, dann sind es Sie. Teilen Sie die Euphorie oder die Skepsis?

Prof. Dr. Martin: Wir sollten erst klären, worüber wir sprechen. Der Begriff Telemedizin enthält schon das grundlegende Missverständnis: Telemedizin ist keine Medizin, sondern lediglich eine Kommunikationsform unter Ärzten oder zwischen Arzt und Patienten; Apps und ähnliches gehören nicht dazu. An der medizinischen Behandlung ändert sich durch Telemedizin gar nichts.

Viele Medien fürchten eine Entfremdung zwischen Arzt und Patienten durch Telemedizin. Was sagen Sie dazu?

Prof. Dr. Martin: Fürchten müssen wir uns tatsächlich; aber nicht vor Telemedizin, sondern vor einer Versorgungslücke, die sich dramatisch entwickelt. Die Zukunft sieht so aus, dass wir immer weniger Ärzte haben, die immer mehr Patienten betreuen. Vor allem Hausärzte werden fehlen, das können wir jeden Tag lesen und hören. Auch die Zahl an Diabetologen nimmt nicht in dem Ausmaß zu, wie es notwendig wäre. Andererseits nehmen die Lebensstilerkrankungen zu, Übergewicht, Typ 2 Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen. Zunehmend werden Menschen in jüngeren Jahren krank.

Wir haben eine Riesenchance, die Lücke zu verkleinern, wenn wir die Möglichkeiten der modernen Telemedizin nutzen. Mit Hilfe telematischer Techniken können wir Brücken zwischen Versorgungseinrichtungen bauen und räumliche Trennungen überwinden. Die Konsultation zwischen Ärzten wird intensiver und hochqualifizierte Medizin kann sehr vielen Menschen mehr zur Verfügung stehen als bisher. Ganz klar sind telemedizinische Methoden im Einsatz für die Menschen, für die Patienten und nicht gegen sie.

Wie ist die Situation in Deutschland, wie ist Telemedizin derzeit aufgestellt?

Prof. Dr. Martin: In einigen Bereichen hat sich telemedizinische Interaktion wie zum Beispiel die Teleradiologie gut etabliert; die Ergebnisse bildgebender Verfahren kann man perfekt transferieren. Ein CT oder ein MRT ist eine Einmalinvestition, die Kliniken häufig leisten können. Die Kosten für eine 24-stündige Bereitschaft von Radiologen ist aber kaum finanzierbar. So werden die CT oder MRT Bilder aus ländlichen Krankenhäusern telemedizinisch einem fachärztlichen Zentrum übermittelt und dort von einem Radiologen befundet.

Im Bereich der Diabetologie sind wir Pioniere mit einem Projekt, das nun auch von der AXA für die Versicherten genutzt wird. Wir haben ein telemedizinisches Lifestyle-Programm aufgelegt, kurz TeLiPro, dessen Wirksamkeit wir wie bei einem Medikament durch eine klinische Studie getestet haben. Dabei konnten wir zeigen, dass auch bei schon länger bestehendem Typ 2 Diabetes eine konsequente Lebensstiländerung vergleichbar erfolgreich ist, wie neue und teure Medikamente. Das TeLiPro hat zum Ziel mit telemedizinischen Methoden die nötigen Lebensstilveränderungen bei Typ 2 Diabetes zu unterstützen.

Das ist der richtige Weg: von der Telemedizin hin zum Teleconsulting. In weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen konnten wir auch zeigen, dass nur die Kombination aus Telemedizin und dem persönlichen Telefonat erfolgreich ist. Wir haben in einer Studie unsere Probanden in drei Gruppen unterteilt. Die größten Erfolge – Gewichtsabnahme, sinkende Werte bei Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten – erzielte die Gruppe, die telemedizinische Betreuung plus telefonisches Coaching erhalten hatte.

Was sagen Sie den besorgten Datenschützern?

Prof. Dr. Martin: Bei unserem Projekt werden alle Daten verschlüsselt. Zusätzlich ist die Datenbank pseudonymisiert, alle patientenbezogenen Identifikationsmerkmale sind durch Codes ersetzt, die Kontaktdaten liegen in einer zweiten Datenbank auf einen ebenfalls hochsicheren Server. Das führt das Deutsche Institut für Telemedizin und Gesundheitsförderung für uns durch.

Was muss geschehen, um Telemedizin weiter zu entwickeln?

Prof. Dr. Martin: Wir müssen die Mauern in unseren Köpfen aufbrechen. Viele Ärzte schließen Videokonferenzen mit ihren Patienten immer noch kategorisch aus. Das ist dramatisch, wenn wir noch ferner in die Zukunft blicken. Da gibt es nur noch spezialisierte Ärzte. Ganze Landstriche werden entvölkert sein von Ärzten. Wer will sich das noch antun, wenn es so viele Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Medizin oder auch im Ausland gibt, die eine so viel bessere Work-Life-Balance aufweisen als die eines niedergelassenen Arztes! Wir müssen umdenken und uns freimachen von den alten Strukturen. Die kassenärztlichen Vereinigungen müssen kreativer denken und die Gesundheitspolitik muss aktiver werden.

Wie sind die realistischen Zukunftsaussichten?

Prof. Dr. Martin: Ich sehe große Chancen in der Telemedizin. Wir müssen delegieren. Die Idee, die ich persönlich habe, sieht so aus: Wir sind knapp an Hausärzten, aber wir haben hervorragende Krankenschwestern. Die können zu den Patienten fahren und die Basisuntersuchungen leisten. Die Daten, Blutdruckwerte etc. werden dann an eine zentrale Stelle transferiert und der Arzt kann per Voicemail mit dem Patienten sprechen. Wie viel Zeit verbringt er denn heute normalerweise mit dem Patienten selbst von Angesicht zu Angesicht?

Da macht es keinen so großen Unterschied, wenn er stattdessen skyped. Die Krankenschwester heißt dann vielleicht hausärztliche Angestellte, das wird ein ganz neues Berufsbild. Das erscheint mir als einzige Möglichkeit, die Versorgungsgerechtigkeit aufrecht zu erhalten. So können wir eine bessere Medizin machen als wir es heute tun.

Herzlichen Dank, Professor Martin, für Ihre Einschätzungen und diese ermutigenden Aussichten.

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