
Wochenbettdepression: Wenn Schuldgefühle das Familienglück trüben
Nach der Geburt kommt es häufig zu Herausforderungen, die das Elternglück trüben können. Eine sogenannte Wochenbettdepression – auch postpartale oder postnatale Depression genannt – betrifft viele Mütter und Väter. Wir klären über die häufigsten Ursachen auf und zeigen Wege, wie sich eine Wochenbettdepression erkennen und behandeln lässt.
Depression nach Geburt: Die Häufigkeit von Wochenbettdepression
Etwa 50 bis 70 Prozent aller Frauen erleben nach der Entbindung im Wochenbett den sogenannten „Baby Blues“, Tage voller Tränen und Traurigkeit. Alleine in Deutschland sind jährlich etwa 1.000.000 Frauen davon betroffen. Die meisten dieser Verstimmungen sind harmlos und verschwinden nach ein paar Tagen wieder.
Trotzdem werden die Mütter – und mit ihnen ihre Umgebung –davon regelrecht überrollt. 10 bis 15 Prozent aller Frauen entwickeln in der Zeit nach der Geburt sogar handfeste Depressionen, die über Monate anhalten können.
Was kaum jemand weiß: Selbst Väter sind davon betroffen. Die postnatale Depression bei Männern tritt bei etwa 10 – 20 Prozent der Väter innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt auf.
Was sind die Symptome einer Wochenbettdepression
Die Anzeichen und Symptome einer Wochenbettdepression sind bei den Müttern und Vätern ähnlich und beinhalten:
- Traurigkeit oder anhaltende Niedergeschlagenheit
- Stimmungsschwankungen
- Verlust des Interesses oder der Freude an Aktivitäten, die zuvor Spaß gemacht haben
- Schlafstörungen
- Müdigkeit oder Energiemangel
- Veränderungen im Appetit (Gewichtsverlust oder -zunahme)
- Schuldgefühle
- Konzentrationsprobleme
- Soziale Isolation oder Rückzug von Freunden und Familie
- Gedanken an Selbstverletzung oder Suizid (in schweren Fällen)
Bemerken Sie eines oder mehrere dieser Symptome bei sich selbst oder Ihrem Partner über einen längeren Zeitraum, sollten Sie einen Arzt einschalten. Eine postnatale Depression lässt sich gut behandeln – auch wenn die Heilung Zeit braucht, kann sich das Befinden unter einer gezielten Therapie meist rasch deutlich bessern.
Mit psychotherapeutischer Unterstützung, gegebenenfalls kombiniert mit medikamentöser Behandlung oder auch einer stationären Behandlung, kann die Freude Schritt für Schritt in den Alltag zurückkehren.
Wichtig ist zu wissen, dass es sich bei der Wochenbettdepression um eine sehr gut behandelbare psychische Störung handelt, die viele Eltern betrifft. Niemand muss den Anspruch haben, das Familienglück sofort „perfekt“ zu machen – entscheidend ist, Hilfe anzunehmen, Geduld zu haben und den Weg zur Besserung gemeinsam zu gehen.
Die private Krankenversicherung (PKV) von AXA erstattet je nach Tarif bis zu 100% der Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung vor sowie nach einer Geburt.
Heilungschancen der Wochenbettdepression – Gespräch mit einer Expertin
Wenn Sie die ersten Symptome einer Wochenbettdepression bei sich oder Ihrem Partner erkannt haben, fragen Sie sich bestimmt, was Sie tun können. Es gibt gute Nachrichten: „Nahezu jede dieser Erkrankungen kann geheilt werden“, sagt unsere Expertin Ute Weber, Fachkrankenschwester für Psychiatrie.
„Deshalb sind Aufklärung und ein frühes Erkennen dieser besonderen Formen von Depressionen so wichtig!“ Ute Weber ist Mitarbeiterin der Wochenbett-Krisenhilfe der Deutschen Familienstiftung und begleitet viele Frauen durch diese schweren Zeiten. Im Interview gibt die zweifache Mutter ihre Erfahrungen weiter.
„Allein die Tatsache, dass so viele Frauen von Wochenbettdepressionen betroffen sind – in Deutschland sind es jährlich etwa eine Million! – war Grund genug, die Wochenbett-Krisenhilfe für Stadt und Landkreis Fulda ins Leben zu rufen. Ich möchte aufklären. Ich will im Rahmen meiner Möglichkeiten helfen.
Betroffene Mütter sollen wissen, dass sie kein Einzelfall sind, dass sie nicht allein sind – und schon gar nicht verrückt – und dass es eine Lösung für ihre Situation gibt! Wird die Wochenbettdepression früh erkannt und behandelt, stehen die Heilungschancen sehr gut.“
Wie entsteht Wochenbettdepression? Was sind die Ursachen?
Das weiß man nicht hundertprozentig, und die Ursachen sind individuell verschieden. Fachleute gehen von dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus, wie z. B. die Umstellung der Hormone im Körper, Angst, unbekannte Erfahrungen oder neue Aufgaben, durch die sich die Mütter überlastet fühlen.
Gründe können auch traumatische Erlebnisse, Probleme im sozialen Umfeld, finanzielle Armut oder bereits vor der Geburt vorhandene psychische Leiden sein. Viele unterdrücken Gefühle wie Trauer, Wut oder Schmerz, da sie nicht ins Konzept der glücklichen Mutter passen.
Manche Frauen haben ihren Job aufgegeben, fühlen sich nun vom „Nur-Mutter-Sein“ intellektuell unterfordert und von der Außenwelt isoliert. Häufig spielt auch das Mutterbild eine Rolle und die Erwartungen der jungen Mutter an sich selbst.
Alles in allem bestimmen die Anzahl und die Stärke der einzelnen Belastungen das Ausmaß der nachgeburtlichen Krise. So muss jede Erkrankung unterschiedlich betrachtet und individuell angegangen werden.
Drei verschiedene Ausprägungen von Wochenbettdepressionen
Wochenbettdepressionen treten in verschiedenen Formen auf und sind nicht immer auf den ersten Blick sofort erkennbar. Je nach Ausprägung können die Symptome von allein wieder verschwinden. Machen Sie jetzt den Wochenbettdepressionen Test:
1. Postpartales Stimmungstief (Baby Blues, Heultage)
Kurzfristiges Stimmungstief in den ersten 10 Tagen nach der Entbindung. Ungefähr 50 bis 70 Prozent aller Mütter sind davon betroffen. Es entsteht meist zwischen dem dritten und fünften Tag nach der Geburt und vergeht nach etwa einer Woche von selbst.
Die Symptome dieser schwachen Form der Wochenbettdepression sind: Stimmungsschwankungen, Traurigkeit, häufiges Weinen, starke Sorgen um das Kind oder auch mangelndes Interesse am Baby, Müdigkeit, Erschöpfung, Versagensängste, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Appetitstörungen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten. Grund dafür ist vor allem die extreme Hormonumstellung.
Ungefähr vier Tage nach einer Geburt fallen Östrogen- und Progesteronwerte im Körper ab, die Prolaktinproduktion für die Milchbildung nimmt zu. Hinzu kommen Veränderungen der Lebenssituation.
Sprechen Sie offen über Ihre Gefühle und holen Sie sich Hilfe bei Familie und Freunden. Schon kleine Entlastungen im Alltag – etwa Unterstützung im Haushalt oder beim Baby – können helfen, diese Phase besser zu überstehen.
2. Postpartale Depression, Wochenbettdepression (PPD)
Die postpartale Depression kann jederzeit im ersten Jahr nach der Entbindung entstehen. Typisch ist eine schleichende Entwicklung. Ungefähr 10 – 20 Prozent aller Mütter und Väter sind davon betroffen.
Oft dauern die Wochenbettdepressions-Symptome länger als eine Woche an und es kommen weitere Anzeichen hinzu, wie: Energiemangel, Schuldgefühle, innere Leere, allgemeines Desinteresse und sexuelle Unlust, Schlafstörungen und Panikattacken, Ängste, extreme Reizbarkeit, ambivalente Gefühle dem Kind gegenüber, psychosomatische Beschwerden wie Kopf-, Schwindel- oder Herzbeschwerden, Zwangs- und/oder Selbstmordgedanken.
Extrem selten (laut einer Studie ein bis zwei von 100.000 depressiven Müttern) begehen Frauen in diesem Zustand einen Infantizid – sie töten ihr eigenes Kind. Da diese Form der Depression eine Gefahr für Mutter und Kind sein kann, ist sie dringend behandlungsbedürftig. Zum Teil mit stationärer Unterbringung.
3. Postpartale Psychose (PPP)
Die postpartale Psychose entsteht vorwiegend in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung. Sie kann sich aber auch aus einer Wochenbettdepression heraus entwickeln.
Sie gilt als die schwerste Form der nachgeburtlichen Krisen und kommt bei einer bis drei von 1.000 Müttern vor: Es kommt zu Verhaltensänderungen, unbegründeten Ängsten und Denkstörungen. Manchmal treten auch Wahrnehmungsstörungen wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder das Hören von Stimmen auf.
Meist beginnt die Erkrankung sehr abrupt, und die Betroffenen sollten umgehend notfallmäßig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden.
Daneben gibt es auch die posttraumatische Belastungsstörung, die eintreten kann, wenn die Entbindung als traumatisch empfunden wurde. Gewalt unter der Geburt, Unfälle im Kreißsaal oder starker Blutverlust lösen diese andere Form der Wochenbettdepression aus.
Im Gespräch mit Frau Weber: Antworten auf zentrale Fragen zur Wochenbettdepression
Sind auch Väter von der Wochenbettdepression betroffen?
„Überwiegend sind Frauen von Wochenbettdepressionen betroffen, jedoch wirken sich deren Verhaltensänderungen auf die gesamte Familie, also auch auf die Väter und Kinder aus. Doch auch Väter können unter einer Wochenbettdepression leiden.
Laut einer Studie aus England sind neun Prozent der Männer betroffen. Oft werden sie aber nicht ernst genommen oder gar nicht erst als solches erkannt, da sie nicht zum Arzt gehen.
Anders als bei den Müttern äußern sie sich bei Vätern eher durch Aggressivität und Gewaltausbrüche. Laut Studien aus England und den USA haben rund 10 Prozent der jungen Väter in den ersten Wochen nach der Geburt Gefühle wie Traurigkeit, Angst, Schlafstörungen oder kein Interesse an Sex. Gefährdeter sind dabei Männer, deren Frauen auch unter Symptomen leiden.
Bei fünf Prozent der Väter dauert dieser Zustand bis zu einem halben Jahr lang an. Ein Auslöser scheint z. B. Schlafmangel zu sein. Zudem verändert sich auch der Hormonspiegel von Vätern nach der Geburt. Die nachgeburtliche Depression trifft übrigens Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten, soziale Unterschiede kennt diese Krankheit nicht.“
Wie lange dauert die Wochenbettdepression?
Die Dauer einer Wochenbettdepression variiert nach Schweregrad. Während die Symptome bei manchen Frauen innerhalb von Wochen nach der Geburt abklingen, dauert es bei anderen Monate.
Im Durchschnitt sind die Wochenbettdepressions-Symptome zwischen mehreren Wochen und bis zu einem Jahr spürbar, wenn keine Behandlung erfolgt. Suchen Sie sich frühzeitig Hilfe, um die Genesung zu beschleunigen.
Wie kann man die Wochenbettdepression vermeiden?
Vermeiden kann man eine Wochenbettdepression zwar nicht, jedoch können Sie selbst viel zu einer besseren und schnelleren Heilung beitragen. Wichtig ist, sich frühzeitig Unterstützung zu organisieren. Wenden Sie sich als erstes an Ihren Gynäkologen oder Hausarzt – sie können die weitere Behandlung koordinieren und geeignete Ansprechpartner vermitteln.
Ziehen Sie, wenn möglich, frühzeitig Freunde und Familie ins Vertrauen – sie können helfen, Aufgaben zu verteilen, Termine zu vereinbaren oder Entlastung im Alltag zu schaffen. Es ist zudem möglich, für die erste Zeit eine Haushaltshilfe zu beantragen.
Hierbei wird die Kostenübernahme bei der privaten Krankenversicherung von AXA im Einzelfall geprüft. Schon das kann ausreichen, um Sie zu entlasten und der Wochenbettdepression entgegenzuwirken.
Auch Selbsthilfegruppen zum Thema geben Unterstützung. Wichtig ist zudem das Hinzuziehen von Fachleuten und Ihrem Arzt des Vertrauens. Auch Hebammen und Stillberaterinnen sind gute Ansprechpartner für Wochenbettdepressionen. Je früher eine Behandlung erfolgt, desto besser sind die Heilungschancen.
Wochenbettdepression: Was hilft gegen die postpartale Depression?
Die Expertin Ute Weber ist sich sicher, dass eine rechtzeitige Behandlung eine Wochenbettdepression schnell abklingen lässt. Der Behandlungsweg richtet sich individuell nach der Ausprägung der Symptome und dem Leidensdruck der Frau.
„Je nach Depressionstiefe, Untersuchungsergebnissen und persönlichen Vorlieben können verschiedene Wege der professionellen Behandlung eingeschlagen und auch miteinander kombiniert werden: Psychotherapie, Psychopharmaka-Therapie, Hormontherapien, naturheilkundliche Therapien, alternative Therapien wie Musik- oder Kunsttherapie, stationäre Behandlung.
Der einzuschlagende Weg richtet sich nach dem Wunsch der Frau. In leichten Fällen kann es schon genügen, sich auf Selbsthilfe zu beschränken. Bei mittelschweren Depressionen kann Selbsthilfe begleitend eingesetzt werden, es empfiehlt sich unbedingt Fachleute hinzuzuziehen.
Bei einer schweren postpartalen Depression oder gar Psychose ist eine sofortige professionelle Hilfe absolut notwendig. In einigen Fällen ist auch ein Klinikaufenthalt angezeigt, um das Leben von Mutter und Kind zu schützen.
In meiner Beratung werden im Idealfall Partner und Familie mit einbezogen. Information, Aufklärung und die Suche nach Lösungen und Entlastungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Familienhilfe oder -pfleger sind wichtig. Den Lösungsweg erarbeite ich immer individuell mit den Frauen.
Bei ausgeprägten Depressionen kann begleitend eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva nötig sein. Wichtig ist hierbei die Aufklärung für stillende Mütter. Denn es gibt gut verträgliche Medikamente, die ein Abstillen nicht notwendig machen.“
Checkliste gegen Wochenbettdepressionen für junge Mütter
Jetzt ist es besonders wichtig, dass Sie auf sich selbst achten und sich so oft es geht etwas Gutes gönnen. Wenn Sie Schuldgefühle wegen Ihres Babys haben, dann denken Sie immer daran, dass sich ein Kind am wohlsten fühlt, wenn es seiner Mutter gut geht. Nur, wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben.
Berücksichtigen Sie daher unbedingt die folgenden Ratschläge gegen Wochenbettdepressionen:
Wenn Sie sich an diesen Leitfaden halten, stehen die Heilungschancen Ihrer Wochenbettdepressionen sehr gut und es ist gar keine weitere Hilfe von einem Arzt notwendig.
Kann ich schon vor Geburt etwas gegen eine Wochenbettdepression machen?
Gut ist es auf alle Fälle, sich schon im Vorfeld damit auseinander zu setzen und mit dem Partner darüber zu sprechen. Generell sollte jeder Frau bewusst sein, dass sie in eine postpartale Krise kommen kann. Wichtig zu wissen ist, dass Sie keine Schuld daran haben!
Der beste Boden ist ein guter sozialer Rückhalt. Eine verstärkte Unterstützung durch Partner und Familie verringert das Risiko von Wochenbettdepressionen. Auch die eigenen Erwartungen an die Mutterrolle sollten nicht zu hochgesteckt werden. Das Bild der immer glücklichen und sorglosen neuen Mutter ist hier wenig hilfreich.
Frauen, die bereits vor oder während der Schwangerschaft unter Depressionen litten oder bei denen eine Vorbelastung in der Familie besteht, sollten sich möglichst früh mit dem Thema auseinandersetzen und die Hilfe von Experten in Anspruch nehmen. Auch Frauen, die unter dem prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden, bekommen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine PPD als andere Frauen.
Die Wahrscheinlichkeit, bei der weiteren Entbindung wieder zu erkranken, liegt übrigens bei 20 bis 50 Prozent. Deshalb sollten die betroffenen Frauen ihre behandelnden Gynäkologen und Hebammen unbedingt informieren und dafür sorgen, dass psychologische und/oder psychiatrische Hilfe bereitgestellt wird. So kann schon vorab rechtzeitig ein persönlicher Krisenplan festgelegt werden.
Herzlichen Dank, Frau Weber, für die wertvollen Informationen und guten Ratschläge, die bestimmt vielen Betroffenen Hoffnung geben!
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