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Wenn Kinder lügen...

Wie sollen Eltern und Erwachsene reagieren?

Eine große Zahl geisterte vor Jahren durch die Medien, seither hält sie sich hartnäckig in den Köpfen: Jeder Mensch soll angeblich unglaubliche rund 200 Mal am Tag lügen. Die Zahl ist inzwischen relativiert: Eine andere Studie ergab, dass es sich im Durchschnitt um etwa zwei Unwahrheiten pro Tag handelt. Meist bedienen wir uns sogenannter weißer, auch (pro)sozial benannter Lügen oder Notlügen, um Unfrieden zu vermeiden, Harmonie herzustellen oder auch schlicht die eigene Person in den Vordergrund zu stellen. Doch wo ist der Unterschied zwischen einer kleinen Unwahrheit und echter Täuschung? Muss man Lügen grundsätzlich vermeiden oder verbieten? Und wie sollten Eltern und Erwachsene mit Lügengeschichten von Kindern umgehen?

„Lügen haben kurze Beine“

Diese Redewendung bedeutet, dass man mit Lügen nicht weit kommt. Zwar kann man kurzfristig etwas vortäuschen, man kann die Lüge aber, weil sie so kurze Beine hat, ganz schnell erwischen. Die Idee der Lüge, dass man mit ihr nicht weit kommt, ist in vielen Ländern und Kulturen weit verbreitet. In Großbritannien haben die Lügen gar keine Beine –„ a lie has no legs“ und im Afrikanischen gibt’s das Sprichwort: „Mit einer Lüge kannst du einmal essen, aber nicht zweimal."

Es gibt zahlreiche Untersuchungen und einzelne Erkenntnisse über das Lügen. Der Gedanke, dass es im Grunde nicht richtig sein kann, andere bewusst zu täuschen, ist in unserer Gesellschaft tief verankert. „Du sollst nicht lügen“, ist eines der zehn Gebote, Philosophen wie Kant plädieren für die Wahrheit, diverse Artikel und Bücher beschäftigen sich mit dem Phänomen und Autoren wie der Amerikaner Brad Blanton empfehlen die radikale Ehrlichkeit. Doch gehören Verdrehen, Schummeln und Schwindelei anscheinend zu uns Menschen, wie der Tod zum Leben.

Jüngere Leute lügen häufiger als Ältere, Menschen unter Druck öfter als Entspannte, je weniger Zeit für eine Antwort ist, desto eher schleichen sich Unwahrheiten ein, in E-Mails wird öfter gemogelt als in Briefen, Männer legen anders falsches Zeugnis ab als Frauen, die meisten Lügen passieren unbewusst und intuitiv und selbst Menschenaffen greifen zur Flunkerei, wenn es eng wird...

Wie in der Erziehung damit umgehen?

„Erst mit etwa fünf Jahren beginnen Kinder bewusst zu schummeln. In der Zeit zwischen vier und sechs Jahren entwickelt sich das Gewissen. Vorher können die Kleineren häufig noch nicht zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden, unwahre Geschichten passieren quasi einfach so“, weiß die Diplom-Heilpädagogin und Leiterin der Familienschule der Deutschen Familienstiftung in Fulda Julia Spätling. Die Jüngeren glauben ihre erdachten Erlebnisse in dieser Lebensphase meist sogar selbst.

Das Wesen einer Lüge ist ja aber, dass sie bewusst einen anderen Menschen täuschen soll. Deshalb: kein Grund, hier schon böse zu reagieren. „Eltern sind gut beraten, bereits die kleinen Kinder auf die Unwahrheiten anzusprechen, in einem ruhigen Ton und ohne Vorwurf. War es eine echte, also bewusste Lüge, sollte man in offener und vertrauter Atmosphäre klären, warum gelogen wurde und warum die Lüge aufgefallen ist‘, erklärt Julia Spätling. „Was befürchtet das Kind, wenn es lügt? Sagt es aus Angst, aus Scham, aus Aufschneiderei oder am Ende aus Höflichkeit nicht die Wahrheit? Oft braucht es keine Strafe, sondern unsere Unterstützung.“

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Familienschule Fulda

„Starke Kinder brauchen glückliche und zufriedene Eltern für ein unbeschwertes Aufwachsen“, dafür steht die Familienschule Fulda eine Einrichtung der Deutschen Familienstiftung.

Die Familienschule Fulda ist ein Ort, wo Eltern Antworten auf ihre Fragen bekommen, Kontakte knüpfen und hilfreiche Kurse von Geburtsvorbereitung über Eltern-Kind-Gruppen bis hin zu Selbsthilfe-Gruppen finden können.

Neben den genau auf die Bedürfnisse von werdenden und jungen Eltern abgestimmten Kursangeboten erhalten die Eltern familien- und partnerschaftsstärkende Hilfen zu Themen wie Sicherheit und Klarheit im eigenen Vorgehen, Alltagsgestaltung, Selbstpflege, Stress- und Zeitmanagement sowie verlässliche Unterstützung und Beratung bei unterschiedlichsten Problemen. 

Mit Geduld und Humor erreicht man die Kinder am besten

Ein gutes Mittel sind dabei einfache und gezielte Fragen; und, wenn es geht, immer wieder auch eine Portion Humor. Denn die Heranwachsenden lernen ja gerade erst den Umgang mit Lüge und Wahrheit. Da gibt es einerseits das große Feld der vielen kleinen Unaufrichtigkeiten, die überall im Alltag zu finden sind und unser soziales Zusammenleben erst ermöglichen. Und andererseits die unrichtige Behauptung und Verlogenheit, die vorsätzlich geschehen und anderen schaden. Deshalb sind wir Erwachsenen auch wichtige Vorbilder: „Besonders die Eltern sind jetzt Moral-Bildner und sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Denn an ihnen lernt das Kind, welche moralischen Werte wichtig sind und welche nicht. Das Kind verinnerlicht zu diesem Zeitpunkt, was gut oder schlecht ist, was Flunkern, was Lüge ist. Mit dem eigenen Lügen testet es Grenzen und Möglichkeiten aus. Im Grunde signalisiert es damit einen Entwicklungsschritt, bei dem es unsere Begleitung braucht“, sagt Julia Spätling.

Das bestätigen auch Untersuchungen: Familie und nähere Umgebung prägen das Verhalten im Umgang mit der Wahrheit am meisten. Selbst erwachsene Menschen orientieren sich beim Wahrheitsgehalt oft an ihrem Umfeld: Ist es in einer bestimmten Gruppe z.B. üblich, mit gezielten Unwahrheiten sein Ziel zu erreichen oder mit gezinkten Karten geschäftlich zu verhandeln, kann das mehr und mehr zur Regel werden, Wertvorstellungen und Moral in dieser Gruppe sinken.

Durch Verstehen und Reflektieren den Umgang mit Wahrheit lernen

Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen gibt es laut Julia Spätling in Sachen Lügen kaum. Allerdings herrschten in bestimmten Altersphasen unterschiedliche Gründe für das Schummeln vor: „Kleine Kinder lehnen das Lügen meist von sich aus ab. Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren geben eher mit Unwahrheiten in Bezug auf ihr Können oder Besitztümern an. Jugendliche lügen eher aufgrund von Meinungsverschiedenheiten und Sanktionen seitens der Eltern. Manche Lügen scheinen für Kinder und Jugendliche gerechtfertigt, wenn es z.B. um den Schutz eines Freundes oder der Eltern geht.“

Wichtig sei, dass Kinder tatsächlich verstehen, warum Lügen nicht in Ordnung ist und was für Folgen es für sie selbst und die anderen haben kann: „Irgendwann glaubt einem keiner mehr, ich tue dem anderen weh, er ist enttäuscht von mir, ich verheddere mich selber in meinem Lügenkonstrukt, ich stehe dumm da, ich verliere das Gesicht, die Freundschaft geht kaputt... So appellieren Sie an das gesunde Gewissen Ihres Kindes.“

Dringlich weist Julia Spätling auf die Rolle von Kindern bei Trennungspaaren hin: „Hier gibt es leider immer wieder die traurige Tatsache, dass Kinder bei einem getrennten Elternteil lügen müssen, um Auseinandersetzungen zwischen Vater und Mutter zu vermeiden. Auch werden Kinder in solchen Situationen oft in Lügenkonstrukte mit einbezogen oder müssen bestimmte Dinge verschweigen. Der Erwachsene zwingt das Kind sozusagen zur Lüge, obwohl es weiß, dass das nicht in Ordnung ist und hier bewusst die Unwahrheit gesagt wird. Daran sollten Eltern immer denken: Lügende Eltern sind für die Kinder genauso unangenehm wie umgekehrt.“ Eine gute Übung ist daher, sich selbst ehrlich im Alltag zu beobachten: Wie oft und wozu nutze ich eigentlich selbst Notlügen? Vor meinen Kindern?

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