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Bewegen, bewegen und nochmal: bewegen!

Ein Interview mit dem Rückenspezialisten Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer

Dr. Grönemeyer

Rückenschmerzen nehmen immer mehr zu. 25 Prozent  aller Fehltage gehen mittlerweile auf sie zurück. Häufiger Grund: Die meisten Menschen sitzen täglich zu viele Stunden am Computer, in Vorlesungen, am Schreibtisch, im Büro oder im Auto und bewegen sich kaum. Tatsache ist: 50 Prozent der Deutschen machen gar keinen Sport! Häufig sind die Ursachen aber auch psychischer Natur:Stress, Überlastung, Anspannung oder Depressionen. AXA startklar! hat den Rückenexperten Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer befragt, wie man Rückenbeschwerden schon im Vorfeld verhindern oder im Nachhinein therapieren und bekämpfen kann.

Der Facharzt für Radiologe Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer hat mit einem interdisziplinären Team das Grönemeyer Institut für Mikrotherapie in Bochum gegründet, das sich seit Jahren auf die interdisziplinäre und ambulante Behandlung von Rückenproblemen spezialisiert und neue Behandlungsmethoden entwickelt hat.

Herr Prof. Grönemeyer, Rückenschmerzen sind weit häufiger verbreitet als man denkt. Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Ursachen?

Rückenleiden gehören zu den Top 3 unter den Volkskrankheiten und zählen seit Jahren zu den häufigsten und auch teuersten Erkrankungen. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Meist sind Dinge wie fehlende Bewegung, langes Sitzen am Arbeitsplatz, Arbeiten in Fehlpositionen oder Übergewicht Mitverursacher. Deshalb lautet mein Leitsatz auch immer wieder: „Turne bis zur Urne!“ Dennoch sind die Ursachen für Rückenschmerzen oft breiter gefächert, häufig auch psychischer Natur. Etwa 85 Prozent der Rückenschmerzen sind nicht spezifische Schmerzen – das heißt, es gibt keinen Hinweis auf eine konkrete Erkrankung. Diese gehen glücklicherweise meist in nur wenigen Tagen von allein wieder weg. Spezifische Rückenschmerzen hingegen werden von konkret benennbaren Erkrankung ausgelöst, aber beispielsweise in nur drei bis vier Prozent der der Fälle durch einen Bandscheibenvorfall. Weitere Gründe können sein: eine Arthrose der Wirbelgelenke oder eine Einengung des Rückenmarkskanals.

Im Volksmund spricht man auch häufig vom „Hexenschuss“. Was ist das und wie macht er sich bemerkbar?

Das Spezielle am Lumbago, wie man den Hexenschuss fachlich nennt, ist, dass die Beschwerden rein lokal im Rücken auftreten. Das passiert meist ganz plötzlich nach einer falschen Bewegung oder auch bei einer alltäglichen Tätigkeit: Innerhalb von Sekunden dehnt sich eine Muskelverspannung auf den gesamten Wirbelsäulenabschnitt aus. Das ist sehr schmerzhaft und oft können sich die Betroffenen von einem Moment auf den anderen kaum mehr bewegen. Doch so schlimm er sich auch anfühlt, in der Regel ist der Hexenschuss harmlos und erfordert keine medizinische Therapie. Hier helfen bereits sanfte Dehnübungen, Wärme und maßvolle Bewegung. Das lockert die Muskeln und lindert den Schmerz. Regelmäßiger, sanfter Sport mit diagonalen Bewegungsabläufen kann einem Hexenschuss zudem vorbeugen.

Sie plädieren ja für eine ganzheitliche Sicht auf den Patienten und die Vernetzung der Disziplinen – vor allem bei starken chronischen Schmerzen. Warum?

Wichtig für den Arzt und vor allem auch den Betroffenen ist, sich den Patienten und seine Lebenssituation im Ganzen aus verschiedenen Blickwinkeln anzusehen und ihn entsprechend zu untersuchen. Schmerzpatienten sollten von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen untersucht und behandelt werden, das nennt sich „multimodale Therapie“. Patienten mit Rückenleiden sollten also nicht nur vom Orthopäden, sondern auch von Schmerztherapeuten, Neurochirurgen, Naturheilkundlern, Ergotherapeuten und Psychologen begutachtet und gegebenenfalls parallel betreut werden.

Die Psyche spielt also auch oft eine Rolle bei Rückenleiden?

Das ist richtig. Unsere Sprache zeigt ja schon, welche Gründe Rückenschmerzen noch haben können, Redewendungen wie „die Last auf den Schultern“, „etwas bricht uns das Kreuz“ oder „das sitzt mir im Nacken“... Rückenschmerzen haben also oft psychosomatische Gründe. Deshalb sollten wir immer auch überlegen, was mich belastet, mich bedrückt und was ich am liebsten ändern möchte. Denn der Körper reagiert auf Gefühle wie Trauer, Ängste oder Verluste: Der Körper spannt sich an und man zieht beispielsweise die Schultern zusammen – die psychische Ursache von Muskelverspannungen. Dadurch kommt es aber auch zu Wechselwirkungen: Dauernde Rückenschmerzen können Depressionen auslösen. Umgekehrt kann gelten: depressive Menschen können leichter Rückenschmerzen bekommen.

Wie kann man nun Rückenschmerzen bereits im Vorfeld vermeiden?

Ich sage immer: Turne bis zur Urne! Denn Rückenschmerzen werden zu 80 Prozent durch Muskelverspannungen ausgelöst. Das kommt meistens von einer falschen Haltung oder Sitzhaltung, zum Beispiel wenn man den ganzen Tag nach unten auf den Computer schaut, anstatt auf Augenhöhe mit dem Bildschirm zu arbeiten. Zudem sitzen wir meistens – ebenfalls zu 80 Prozent – mit rundem Rücken da und ändern auch zu selten die Sitzposition. Meine Devise lautet deshalb: Eine Stunde Bewegung oder Sport an jedem Tag! Denn das Wichtigste ist genügend Bewegung. Gerade bei Rückenschmerzen ist sie die ideale Therapie und in jedem Stadium einzusetzen: vorbeugend, aber auch begleitend und nachsorgend.

Was aber, wenn es zur Vorbeugung schon zu spät ist? Was kann ich gegen Rückenschmerzen  tun?

Auch hier gilt: Bewegung, Bewegung, Bewegung! Das ist in jedem Stadium das Beste. Wärmebehandlungen, Massagen, Akupunktur, Shiatsu, Physiotherapie oder Pilates sind ebenfalls gute Unterstützer. Wenn es schlimmer wird, können leichte Schmerzmittel eingesetzt werden, aber bitte immer nur nach Rücksprache mit dem Arzt. Dann gibt es natürlich die Mikrotherapie, bei der man mit Hilfe der Computer- und Kernspintomographie zielgenau und rein lokal behandeln kann. Besonders bei Bandscheibenproblemen können diese minimalinvasiven Therapien helfen..  

Grundsätzlich rate ich: Lauschen Sie in sich hinein, hören Sie auf Ihr Gefühl und Ihren Körper. Sie wissen selbst am besten, was Ihnen fehlt und was Ihnen gut tut. Denken Sie an ausreichend Bewegung und einen Stress-Ausgleich.

Welche Rolle spielt die Ernährung für einen gesunden Rücken?

Eine große! Auch unser Essverhalten müssen wir neben dem Thema Bewegung unbedingt unter die Lupe nehmen. Hier gibt es zwei Gesichtspunkte: erstens das Körpergewicht. Die größere Körperlast geht auf die Bandscheiben und vor allem den unteren Rücken, den Übergang zwischen Wirbelsäule und Becken. Die Belastung dort ist erheblich! Der zweite Aspekt: Der viele Zucker und das Weißmehl in unseren Nahrungsmitteln führen zu einer Übersäuerung des Körpers. Das hat zur Folge, dass Knorpelgewebe, die Bandscheiben und die Flächen der Gelenke brüchig werden und schneller verschleißen. Um das zu vermeiden, sollten wir darauf achten, viel Frisches und Vollwertiges zu essen.

Haben Sie eine einfache, aber effektive Übung für Menschen, die viel sitzen müssen?

Für eine leichte Übung müssen Sie sich nur hinstellen: Jetzt einfach auf der Stelle treten, erst nur mit den Füßen auf- und abrollen, also die Fersen abwechselnd aufheben und absenken, und das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagern. Die Arme dabei leicht anwinkeln und vor- und zurückschwingen. Dann steigern Sie das Tempo, treten Sie immer fester auf der Stelle und werden Sie schneller. Sie dürfen richtig auf der Stelle trampeln. Legen Sie alle Energie in die Bewegung, bis Sie außer Atem kommen und Ihr Herz ordentlich klopft. Das machen Sie mindestens einmal am Tag. Hilft auch gegen Ärger bei der Arbeit…

Herr Professor Grönemeyer, vielen Dank für die wertvollen Tipps und Hintergründe.

Buchtipp: Das Grönemeyer Rückentraining. Für jedes Rückenproblem das individuelle Trainingsprogramm, München 2009

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