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Whistleblowing: Gewissen vor blinder Loyalität

Whistleblowing

Der eine Kollege nimmt Gefälligkeiten an und vergibt im Gegenzug einen großzügigen Auftrag, ein anderer nutzt sein Insiderwissen, um gute Geschäfte an der Börse zu machen oder die Entsorgung von Giftstoffen in einem Produktionsbetrieb entspricht nicht den Vorschriften zum Umweltschutz: Nicht immer geht es im Wirtschaftsleben mit rechten Dingen zu. Arbeitnehmer, die Zeuge unsauberer Geschäftspraktiken werden, stehen vor einer schweren Entscheidung: den Mund halten oder sein Wissen kundtun? Wenn man sich für die zweite Variante entscheidet, gilt man fortan als Whistleblower. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bezeichnet jemanden, der „die Pfeife bläst“, sprich: Alarm schlägt und die Menschen auf einen Missstand aufmerksam macht. Bei der Öffentlichkeit sind diese Tippgeber hoch angesehen. Sie können dazu beitragen, dass Kunden erfahren, wenn Pferde- statt Rindfleisch in einem Fertigmenü verarbeitet wurde, wenn Steuergelder in dunklen Kanälen versickern oder sexuelle Belästigung in einem Betrieb zur Tagesordnung gehört.

Der Aufklärer als Nestbeschmutzer

Anders am Arbeitsplatz: Statt als Held der Gerechtigkeit betrachten Kollegen den Whistleblower oft als Nestbeschmutzer, der das Ansehen der Firma in den Dreck zieht und damit womöglich Arbeitsplätze gefährdet. Das Bewusstsein, dass es das angeprangerte Fehlverhalten ist, das den Imageschaden verursacht, ist oft nur schwach ausgeprägt, so dass es zu Mobbing oder Intrigen kommen kann. Es erfordert viel Zivilcourage, sich dennoch an die Presse, die Polizei oder den eigenen Vorgesetzen zu wenden. Das liegt auch daran, dass Whistleblower in Deutschland nicht besonders gut geschützt sind. Anders als in England oder in den USA gilt für sie das normale Arbeitsrecht. Trotzdem genießt das Thema Whistleblowing durch verschiedene Skandale der letzten Zeit zunehmend Aufmerksamkeit. Parallel dazu haben Unternehmen erkannt, wie sehr Regelverstöße dem wirtschaftlichen Erfolg schaden und reagieren darauf mit verschärften Compliance-Vorschriften.

Wen ansprechen?

Gerade größere Firmen haben die für ihre Branche wichtigsten Gesetze und Vorschriften in einem Code of Conduct zusammengefasst und um eigene Unternehmenswerte, wie etwa Nachhaltigkeit oder Förderung von Minderheiten ergänzt. Im Idealfall gibt es einen Compliance-Beauftragen, der für Whistleblower der erste vertrauenswürdige Ansprechpartner sein sollte. Unternehmen, die so vorgehen, sichern ihren Angestellten normalerweise auch Sanktionsfreiheit zu, wenn sie aus dem Nähkästchen plaudern. Ist das Vertrauen in den eigenen Arbeitgeber derart erschüttert, dass man sich niemandem aus der Firma gegenüber öffnen möchte, kann man sich an die Presse wenden. Dort genießt man Informantenschutz; das heißt, die Identität des Tippgebers wird geheim gehalten und Journalisten beginnen zu recherchieren, ob die Vorwürfe sich belegen lassen.

Treuepflicht vs. Meinungsfreiheit

Was den Whistleblower in Bedrängnis bringen kann: Gegenüber seinem Arbeitgeber hat er eine Treuepflicht zu erfüllen. Verletzt er diese Pflicht, indem er mit Informationen über unsaubere Geschäfte an die Öffentlichkeit geht, droht ihm die Kündigung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Juli 2011 zwar festgestellt, dass das Veröffentlichen von Fehlverhalten von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wer aber Miete zahlen und eine Familie zu versorgen hat, möchte nicht erst eine langwierige Kündigungsschutzklage durchstehen und damit seine Existenz gefährden. Um Whistleblower trotzdem zu ermutigen und deren Zivilcourage zu stärken, wurden Plattformen wie etwa http://www.whistleblower-net.de oder http://www.waechterpreis.de gegründet. Bevor man die Entscheidung trifft zwischen stillschweigen oder sich einmischen, kann man sich dort informieren und beraten lassen. Als weitere Anlaufstelle ist zudem Transparency International geeignet.

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